Unser Tagungsthema steht im Zeichen des Gedenkens an das Jahr 1922 und widmet sich den Reisen, Irrfahrten und Abenteuern, die das Werk Shakespeares durch Raum, Zeit und Diskurse erlebt hat. Die Tagung fragt sowohl nach der Verarbeitung der Antike und Homerschen Epen in Shakespeares Werk als auch nach dessen eigener Wirkungsgeschichte im Lichte kreativer Appropriationen und Weiterentwicklungen.
"He was made in Germany" resümiert James Joyces Ulysses schlicht und rekurriert damit auf die einflussreiche Tradition der deutschen Shakespeare-Rezeption. Ulysses wurde vor hundert Jahren, am 2. Februar 1922, veröffentlicht.
Das Jahr 1922 markiert einen Höhepunkt der literarischen Moderne, in dem u.a. auch T.S. Eliots The Waste Land, Virginia Woolfs Jacob’s Room erschienen. Joyce, Woolf und Eliot setzten sich zeitlebens mit Shakespeare auseinander und verweisen einmal mehr darauf, dass die Weltliteratur ohne Shakespeare kaum vorstellbar wäre. In seinen Four Quartetts beschreibt T.S. Eliot die Zeitlichkeit eines "moment in and out of time", die auch für Shakespeare gelten kann. Ungebrochen lebendig vermögen es seine Werke, sich zu den Fragen einer jeweiligen Gegenwart in Beziehung zu setzen. Seine Dramen und die in ihnen verhandelten Themen wurde stets auch zu einer wichtigen Größe in der Entwicklung moderner Vorstellungen von Subjektivität, Autorschaft und Originalität.
Entsprechend weit gefasst ist das Spektrum unseres Tagungsprogramms, für das wir zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit internationalem Renommee gewinnen konnten.
Mit seinem Eröffnungsvortrag wird Anselm Haverkamp (New York University/LMU München) Grundlagen unserer Thematik entfalten: "Anachronic Shakespeare: Homers Welt und die Erfindung der dramatischen Ironie". Die konstitutive Verschränkung von Zeitlichkeit im Werk Shakespeare sowie in dessen Rezeption wird im Zentrum des Vortrags von Wolfram Keller (FU Berlin) stehen "Shakespeare's Temporal Odysseys“, der sich insbesondere auch dem Mittelalter widmen wird.
Ein Schwerpunkt unserer Tagungsvorträge wird auf der Trias Homer – Shakespeare – Joyce liegen. Burghard Niederhoff (RUB Bochum) wird zu: "Shakespeare in Joyces Ulysses" sprechen und Anne Fogarty, James Joyce Professor, (UCL Dublin) wird die vielgestaltigen Rollen Shakespeares und Homers im Ulysses betrachten: "'It is this hour of a day in mid June': Restaging Shakespeare and Homer in James Joyce's Ulysses".
Gretchen Minton (State U. of Montana), u.a. Herausgeberin von Troilus and Cressida (Norton) und Twelfth Night (Arden Performance), wird zu ihrem neuen Forschungsgebiet, den Shakespeare Adaptionen im amerikanischen Nordwesten sprechen. In seinem abschließenden Festvortrag zum Thema "Excavating the Present: Homer, Shakespeare, Joyce" wird Declan Kiberd (Notre Dame/Dublin) unser Tagungsthema aus der Perspektive einer vertikalen, archäologischen Moderne perspektivieren.
Im Shakespeare Seminar werden internationale Nachwuchswissenschaftler*innen ihre Beiträge zur Diskussion stellen, und im Forum Shakespeare und Schule ist Claudia Deetjen mit dem Thema "Teaching Green Shakespeare" zu Gast. Die bereits in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich verlaufende 'Shakespeare Academy' wird am 21. und 22.04. auf dem Campus der RUB stattfinden.
Das Schauspielhaus Bochum wird anlässlich der Tagung am Freitag Peer Gynt und am Samstag Lorenzaccio von Alfred de Musset und George Sand aufführen. Auf die Inszenierungen folgt jeweils eine Publikumsdiskussion.
In einem Werkstattgespräch wird der Intendant des Schauspielhauses, Herr Johan Simons, für Fragen zur Verfügung stehen. Im Metropolis Kino werden tagungsbegleitend Klassiker wie auch wenig bekannte Filmversionen u.a. des Ulysses unter den Shakespeare Verfilmungen gezeigt. Stefan Schneckenburger wird neue Entdeckungen zu Shakespeares Botanik präsentieren und die Teilnehmenden auf einen Spaziergang zum Thema 'Shakespeares Bäume' im Bochumer Stadtpark mitnehmen.
Wie bereits unsere Tagung im vergangenen Herbst in Weimar wird auch die Jahrestagung 2022 in Bochum im hybriden Format stattfinden. Alle Referentinnen und Referenten haben ihre persönliche Teilnahme zugesagt.